| SPANISHSKY.DK 8. MAI 2020 |

Dies ist die Geschichte von und über Alfred Runge Erichsen, einem dänischen Matrosen, der zwei Weltkriege und einen Bürgerkrieg erlebt hat: Während des Ersten Weltkriegs fuhr er als Schiffsjunge auf Schiffen, die Waffen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa transportierten. Als Freiwilliger kämpfte er im Spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden. Im Zweiten Weltkrieg war er Widerstandskämpfer in der dänischen Widerstandsbewegung BOPA

 
Von Allan Christiansen/Übersetzung (aus dem Englischen) vom Freundeskreis der XI. Internationalen Brigade

KURZE DARSTELLUNG DES LEBENS VON ALFRED RUNGE ERICHSEN

 
Alfred Runge Erichsen wurde am 21. März 1899 in Nørrebro, Kopenhagen, geboren. Seine Familie fristete ein karges Leben. Aus diesem Grund heuerte Alfred im Alter von 14 Jahren als Schiffsjunge auf einem Schiff das zwischen Dänemark und den Vereinigten Staaten fuhr an. Da dies während des Ersten Weltkriegs geschah, begab sich Alfred auf gefährliche Reisen und transportierte Waffen auf diesen Reisen von den Vereinigten Staaten nach Europa.

Nach dem Ersten Weltkrieg fuhr Alfred als Heizer. Zu Beginn der 1930er Jahre ging er an Land und begann als Fahrer und Umzugshelfer zu arbeiten. Er bemühte sich aber weiter um Arbeit in der Seeschifffahrt. Alfred wurde 1927 Mitglied der Danmarks Kommunistiske Parti, DKP (die Kommunistische Partei Dänemarks).

An Bord der M/S Anna Mærsk auf der Rückfahrt von Le Havre nach Dänemark, 1941-1942. Photo: Alfred Runge Erichsen

An Bord der M/S Anna Mærsk, 1941-1942. Foto: Alfred Runge Erichsen

Am 4. Februar 1937 ging er nach Spanien und wurde in der XV. Internationalen Brigade als Fahrer eingeschrieben, zum Unteroffizier und Brigadekommandanten des Sanitätsdienstes befördert und kam im März 1937 zur 69. Brigade (eine gemischte Brigade, der spanischen „Brigada Mixta“), der 47. Division. Alfred Runge Erichsen kehrte im Februar 1939 nach Dänemark zurück.

Wie so viele Kriegsveteranen des Spanischen Bürgerkriegs kämpfte auch Alfred während des Zweiten Weltkriegs in der Widerstandsbewegung BOPA [1]. Am 7. Oktober 1944 wurde er von der dänischen Polizei verhaftet und in die deutschen Gefängnisabteilung des Vestre Fængsel (“Westgefängnis” – ein Kopenhagener Gefängnis, das von der Gestapo während der Besatzung genutzt wurde) eingeliefert. Alfred Runge wurde anschließend von einem deutschen Kriegsgericht verurteilt und nach Frøslevlejren (“Internierungslager Frøslev“) verlegt. Am 29. November 1944 wurde er in das Konzentrationslager Neuengamme überstellt. Dort bekam er von den Nazis die Häftlingsnummer 67.101.

Als er im Sommer 1945 aus Neuengamme zurückkehrte, nahm er seine frühere Arbeit als Heizer und Gewerkschaftsvertreter auf einer Reihe von Schiffen, darunter die M/S Anna Mærsk, wieder auf. Seine letzte bekannte Adresse (von 1951) war in Kopenhagen 1057, Holbergsgade 16A,1. Stock, linke Seite, . Alfred Runge Erichsen starb am 1. Juli 1999 in Kopenhagen.

ALFRED RUNGE ERICHSEN IN SPANIEN

 
Wie die meisten Kommunisten und Linken verfolgte Alfred Erichsen aufmerksam die Ereignisse in Spanien. Er beschloss bald, sich freiwillig zu melden. Später im Leben wurde Alfred Erichsen oft gefragt, warum er sich nach Spanien aufgemacht habe, und seine Antwort war immer die gleiche: “Ich hatte keinen Zweifel daran, dass ich nach Spanien gehen musste, um den dänischen Arbeitern und dem spanischen Volk meine Solidarität zu zeigen”.

Zwei Jahre als Krankenwagenfahrer

Alfred reiste Anfang Januar 1937 Richtung Spanien und kam am 4. Februar in Albacete [2] an. Auf eigenen Wunsch wurde er Krankenwagenfahrer. Ab März 1937 war Alfred als Fahrer in der 69. Brigade, 47. Division, eingesetzt und wurde später in die Internationalen Brigaden übernommen. Er war von Beruf Fahrer, und er glaubte, dass der beste und schnellste Weg, sich nützlich zu machen, darin bestand, Krankenwagenfahrer zu werden.

Ein weiterer dänischer Freiwilliger und Krankenwagenfahrer während des spanischen Bürgerkriegs, Marius Christiansen im Krankenwagen Nr. 7

Ein weiterer dänischer Freiwilliger und Krankenwagenfahrer während des spanischen Bürgerkriegs, Marius Christiansen im Krankenwagen Nr. 7

Mehr als zwei Jahre lang fuhr Alfred fast ununterbrochen einen Krankenwagen in Zentralspanien. Der Faschist sorgte dafür, dass er hin und wieder eine Pause bekam – drei, um genau zu sein: die ersten beiden Pausen, als er von Granatsplittern getroffen wurde, und die dritte, als er durch einen Maschinengewehrtreffer am rechten Bein verwundet wurde.

Lieber stehend sterben, als auf Knien leben

Alfred schrieb mehrere Briefe an seine Familie und Freunde in Dänemark, von denen einige im Arbejderbladet (“Arbeiterzeitung “) [3] veröffentlicht wurden.  In einem seiner Briefe schreibt er über das Leben im Krieg und die Situation in Spanien Ende 1938 und Anfang 1939:

“Es gibt viele Dinge, die man über den Krieg sagen könnte, aber es gibt vor allem eines das ich wiederholen muss, und das ist der Heldentum des spanischen Volkes und die hervorragende Kameradschaft der spanischen Soldaten. Als wir die Spanier kennen lernten, haben wir gelernt, dass eine Kapitulation vor den Rebellen keine Option ist. Unsere spanischen Kameraden haben ihre Wahl getroffen: Sie würden lieber im Stehen sterben als auf den Knien zu leben [4]. Das spanische Volk greift auf stolze libertäre Traditionen zurück und weigert sich, als Sklaven in einem faschistischen Kolonialreich wie Italien zu leben. Selbst wenn Katalonien fallen sollte, bedeutet das nicht, dass das demokratische Spanien den Kampf aufgeben wird, im Gegenteil”.

Alfred fährt fort: “Die konservative Presse schreibt Geschichten, die nicht der Realität entsprechen. Ich habe zum Beispiel in der Ausgabe der Berlingske Tidende vom 30. Januar gelesen, dass die Regierung – Premierminister Negrín und Außenminister del Vayo – mit allen Wertsachen Spaniens geflohen sind. Das ist natürlich völliger Blödsinn.

Am 29. Januar hat Negrín vor uns in Figueres eine Rede gehalten. Er deutete an, dass der katastrophale Waffenmangel zur Aufgabe Kataloniens führen könnte, doch im gleichen Atemzug betonte er sehr nachdrücklich, dass wir nicht zu dem Schluss kommen sollten, dass die republikanische Regierung den Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit Spaniens aus diesem Grund aufgeben werde. Vielmehr müssten die Aktionen an den Frontlinien Zentralspaniens wesentlich intensiviert werden.

Alfred Runge Erichsen - eine dramatische Reise von Valencia nach Barcelona – Dénia liegt unmittelbar westlich des Cape de la Nao zur Küste hin. Die Faschisten kontrollierten die Gewässer der Balearen und die Gewässer entlang der Provinz Castellón bis hin zur Stadt Tarragona

Dénia liegt unmittelbar westlich des Cape de la Nao zur Küste hin. Die Faschisten kontrollierten die Gewässer der Balearen und die Gewässer entlang der Provinz Castellón bis hin zur Stadt Tarragona

Aber, ich wiederhole, wir haben Dénia am 17. Januar mit der Bahn nach Valencia verlassen. In Valencia angekommen, warteten wir fünf oder sechs Stunden, bevor wir und 1.500 weitere Freiwillige der Internationalen Brigaden in den Laderaum eines kombinierten Fracht- und Passagierschiffes – eines so genannten Bananendampfers – gepfercht wurden.

Wir wussten, dass wir uns auf eine gefährliche Reise begaben, obwohl die Entfernung von Valencia nach Barcelona nur etwa 16 Stunden Fahrzeit beträgt. Bevor wir den Anker lichteten, erhielten die Brigadisten die strikte Anweisung, sich vom Deck fernzuhalten…und dann legte das Schiff ab“.

Ein tollkühner Kapitän und ein kleines Scharmützel

“Unser Kapitän war mehr als mutig. Das voll beleuchtete Schiff ließ er direkt durch die von Franco-Kreuzern und bewaffneten Trawlern besetzte faschistische Küstenregion fahren.

Und es funktionierte gut, bis wir uns in einer Entfernung von fünf oder sechs Stunden Fahrzeit vor Barcelona befanden. Dann erhielten wir plötzlich Morsezeichen zum Stoppen. Es kam von einem Franco-Kreuzer, der sich in völliger Dunkelheit befand. Das nächste Morsealphabet das sie schickten lautete: ‘Wer sind Sie, was befördern Sie und wo wollen Sie hin?’ Ich weiß das, weil ich – und etwa zwanzig andere Freiwillige – an Deck waren und dem Ruf der Natur gefolgt sind. Ich weiß nicht, wie die Antwort unseres Kapitäns lautete, aber er muss sich etwas ausgedacht haben. Um die Tarnung zu bewahren, war nämlich während der Nacht ein neuer Name auf das Schiff gemalt worden.

Währenddessen spielten sich an Deck dramatische Szenen ab. Unmittelbar nachdem der Franco-Kreuzer zu morsen begonnen hatte, kamen unsere Schiffsoffiziere von der Brücke herunter und schrien: ‘Alle Mann unter Deck’ ! Aber niemand gehorchte dem Befehl. Ihr müsst verstehen, dass die meisten Freiwilligen seit Jahren an der Front waren und mehr oder weniger mit den Nerven am Ende waren. Die Offiziere wiederholten den Befehl. Trotzdem reagierte niemand. Sie fragten dann, ob sich unter den Freiwilligen an Deck irgendwelche Offiziere befänden. Da ich Unteroffizier war, meldete ich mich. Ebenso ein Österreicher, der auch einen Führungsposten innegehabt hatte.

Blousonabzeichen der Internationalen Brigaden mit der Umschrift: "Voluntarios Internacionales de la Libertad" ("Internationale Freiwillige der Freiheit")

Abzeichen der Internationalen Brigade auf der Jacke

– Was werden wir nun tun? fragten uns die Offiziere.

– Sie haben keine andere Wahl, als ihren Revolver zu ziehen, antworteten wir.

Und sie taten es. Aber niemand ging unter Deck. Plötzlich warf der Suchscheinwerfer des Franco-Kreuzers seinen durchdringenden, weißen Lichtschein über das Schiff und meine Kameraden. Mein Genosse und ich sahen keine andere Möglichkeit, als unsere Leiber zu den Männern am Eingang zum Frachtraum zu werfen. Wir fielen mit dem Kopf voran in den Laderaum und bekamen eine gute altmodische Tracht Prügel, aber die Offiziere konnten die Luken verschließen und wir waren aus dem Schneider.”

In Barcelona, vor der Invasion der Rebellen

Über seine Reise nach Dänemark und seinen Wunsch, seine Unterstützung Spaniens gegen die Faschisten fortzusetzen, schreibt Alfred:

“Wir kamen in Barcelona an und blieben zwei Tage. Am Tag vor dem Marsch der Faschisten auf Barcelona verließen wir die Stadt und reisten nach Figueres und weiter in das Lager in Fortis. Obwohl diese Städte jeden Tag aus der Luft bombardiert wurden, gab es nicht das geringste Anzeichen von Panik. Und doch ereigneten sich hier einige der schlimmsten Verwüstungen des Krieges. Stellen Sie sich die endlosen Kolonnen verzweifelter Flüchtlinge, abgemagerter Kinder und Frauen vor, die sich Meile um Meile über die Straße schleppten. Hunderte von ihnen werden niemals ihr Ziel erreichen; vor Hunger und Erschöpfung fallen sie tot auf der Straße um. Die anderen, es sind Hunderte, werden von faschistischen Flugzeug-Maschinengewehren niedergemäht oder von den italienischen Bomben zu Atomen zerfetzt.

Letzten Sonntag überquerten wir die französische Grenze und setzten unsere Reise nach Hause fort.
Viele von uns wollten in Spanien bleiben und den Kampf fortsetzen. Sechs Männer meldeten sich freiwillig im Camp. Es wurde die Frage gestellt, ob jemand wieder an die Front zurückkehren wolle. Aber Negrín wies sie an, nicht zu gehen, und sagte: “Alle Freiwilligen, die für die Rückreise in ihr Herkunftsland in Frage kommen, müssen nach Hause zurückkehren.  

Zeuge des beklagenswerten Zustands der Flüchtlinge in den letzten Wochen in Katalonien gewesen zu sein, hat mehr als alles andere die Erkenntnis untermauert, dass wir eine gewaltige Verantwortung tragen. Wir werden den Kampf in der Heimat fortsetzen. Wir können nicht einfach tatenlos zusehen, wie Hunderttausende Frauen und Kinder an Hunger und Not sterben. Aber Spanien muss Waffen haben, um sich zu verteidigen!”


Anmerkungen: 

[1] BOPA ist eine Abkürzung für Borgerlige Partisanen (“Konservative Partisanen”). Trotz ihres Namens bestand die Bewegung weitgehend aus Kommunisten.

[2] Albacete war das nationale Hauptquartier der Internationalen Brigaden.

(3] Arbejderbladet (“Arbeiterzeitschrift”) war eine Zeitung, die bis Juni 1941 von der Kommunistischen Partei Dänemarks herausgegeben wurde. Im März 1942 wurde die Zeitung in Land og Folk (“Land und Leute“) umbenannt.

4] Dies ist die Abwandlung eines Zitats des mexikanischen Revolutionärs Emiliano Zapata, geboren am 8. August 1879, der am 10. April 1919 in Morelos von Regierungstruppen ermordet wurde.