Seemann Willi Schütt und Hafenarbeiter Walter Schuetrum
|SPANISHSKY.DK 3. FEBRUAR 2019 |
Eine Doppelgeschichte über den Seemann Willi Schütt aus Hamburg-Altona und den Hafenarbeiter Walter Schuetrum aus San Francisco
Von Allan Christiansen/Übersetzung (aus dem Englischen) vom Freundeskreis der XI. Internationalen Brigade
WILLI SCHÜTT, EIN SEEMANN, DER AUF DREI KONTINENTEN KÄMPFTE
Seemannsleben und wachsendes Klassenbewusstsein
Willi (Wilhelm) Schütt wurde 25. März 1908 in Hamburg-Altona geboren. Seine erste Reise machte Willi 1923 als 15 jähriger Schiffsjunge auf dem zwei-Mast Schoner Edelgard in der Ostsee.
Als er im August 1923, es war die Zeit der Inflation, seine letzte Heuer (25.000 Mark) erhält, reicht das gerade für die Fahrt mit der Vorortbahn bis zur Hamburger Heuerstelle.
Die Erlebnisse auf deutschen Schiffen mit dem Kommandoton der Offiziere und dem kriecherischen Kadavergehorsam veranlassten ihn unter anderer Nationalitätsflagge zu fahren. Willi ging zur britischen Handelsflotte und wurde dort zum klassenbewußten Seemann.
Er fuhr von Cardiff mit ‘schwarzem Gold’ (Kohle aus Wales) nach Südarabien. Wegen untauglichem Gerät verunglückte beim Löschen der Ladung ein Schauermann tödlich. Sofort ging die 34 Mann Besatzung in den Streik. Diese Solidarität der Seeleute mit den Kaiarbeitern prägte Willi. Schiffsjunge Willi wird ‘Bruder” (‘Brother) und Mitglied in der Seeleutegewerkschaft.
‘Roter’ Willi
Seine revolutionäre Prägung bekam Willi dann auf einer schwedischen Bark. Christian Christiansen, der bärtige dänische Seemann aus Tondern in Südjütland erzählte ihm von den revolutionären Matrosen in Odessa, in Petersburg, in Cattaro und Kiel.
Willis Klassenkampferfahrung auf den britischen Schiffen und die Erzählung Christiansens formten aus ihm einen ‘Roten’.
Sie landen in Australien Ende der 20iger Jahre zur Zeit der großen Krise. Es gab keine Fracht mehr und ihr Schiff wurde ‘angebunden’. In Sydney wird Willi Jungkommunist. Jede Arbeit wird angenommen, sodass er sich urplötzlich als Bergarbeiter im australischen Neusüdwales findet.
Streiks und Kampf sind an der Tagesordnung. Willi wird Mitkämpfer im Streikkomitee der Bergarbeitergewerkschaft.
Zum Überleben verkaufte er im australischen Sommer (in Europa Winter) Weihnachts-bäume.
Im Auftrag seiner Genossen wird er Herausgeber der Jungkommunistenzeitung The Young Worker. Aber Willi konnte nicht nur schreiben, sondern auch die Dampferwinde eines Schiffes bedienen.
Als über Nacht die australische Regierung ein Embargo gegen die UdSSR verhängte, halfen hunderte von Hafenarbeiter mit Willi an der Winde vor Beginn des Embargos die für die Sowjetunion bestimmten Zuchtschafe auf ein norwegisches Schiff zu verladen.
Gelebter proletarischer Internationalismus
3 Jahre arbeitete und kämpfte Willi in Australien, es folgten 7 Jahre in den USA.
Mit einer 10-monatigen Aufenthaltsgenehmigung und hundert Dollar ging Willi in Portland, USA an Land. Sein Ziel war New York. Die 1000 Kilometer überwand er durch trampen und meldete sich in der 14. Straße von Manhattan im Büro der Kommunistischen Partei.
18 Millionen Arbeitslose in ‘Gottes eigenem Land’, Elend an jeder Ecke und Jobs so rar wie Quellwasser in der Wüste. Seine Jobs sind mal stundenweise u.a. alsTellerwäscher oder LKW Fahrer für ein paar Tage.
Im Arbeiterklub Workers Center wird er zum Agitator ausgebildet. Praktische Arbeit leistet er unter den Jugendlichen des Hafenarbeiterviertels ‘Red Hook’ am Hudson. Die erste Agitation vor dem Robins Trockendock endete mit einem demolierten Rednerpult und ‘Veilchen’ bei Willi. Es waren, von rechten Gewerkschaftsbossen, bezahlte Schläger gewesen. Aber beim nächsten Mal standen ‘Willi’s Jungs’ bereit und verteilten nicht nur Argumente.
Der Spanischer Bürgerkrieg
Als der Spanische Krieg 1936 begann demonstrierte Willi vor dem deutschen Generalkonsulat mit seinen Genossen gegen die Intervention der Nazis in Spanien. Er entschließt sich dem Aufruf der Komintern zu folgen und will nach Spanien. Hier gibt es nur ein Problem, sein deutscher Paß ist für die Ausreise abgelaufen und der deutsche Konsularangestellte glaubt ihm nicht, dass er „Heim ins Reich“ will. Aber letztendlich klappt es doch, auch ohne Reisegeld.
Die sowjetische Reiseagentur Intourist bezahlte ihm und weiteren 59 Genossen die Überfahrt auf der MS Rotterdam nach Europa. Über Perpignan ging es dann im nächtlichen Marsch über die Pyrenäen nach Figueras in Spanien und weiter zur Artilleriebasis in Almansa.
Er wird vorgeschobener Beobachter und kämpft im Jaramatal in der XV. Interbrigade gegen die Faschisten. Er, der Hamburger Seemann, kämpft zusammen mit dem Hafenarbeiter Walter Schuetrum aus San Francisco gegen die ‘Morros’ und beide werden schwer verwundet. Nach der Genesung kämpfen sie weiter in der XV. Interbrigade am Ebro.
Durch gemeinsame Hilfe
Nach der Demobilisierung der Interbrigaden konnte Walter Schuetrum in die USA zurückkehren, Willi kam in französische Internierungslager.
Aber Walter hatte Willi versprochen, ihn niemals zu vergessen. Es gelang ihm, Willi und andere Kameraden aus der Internierung frei zu bekommen.
Willi Schütts Aufgabe war es im Hafen von LeHavre Schiffsheuer für Interbrigadisten zu organisieren. Fast 200 Kämpfer deutscher, tschechischer, polnischer und anderer Nationalität, die von den USA aus in den Kampf gezogen waren, soll auf diese Weise die Ausreise ermöglicht werden.
Mit Hilfe französischer Hafenarbeiter konnte Willi diesen Auftrag erfüllen. Als Matrose erreicht auch Willi Schütt Kanada. Auf dem gleichen Schiff gings weiter nach London, wo er abmusterte.
Dort wurde er von einem britischen Tribunal als ‘Fremder’ eingestuft und nach Seaton, nahe Exeter, abtransportiert. Die KP und die Gewerkschaften aus London schafften es ihn frei zu bekommen. Für englische Bergwerke konnte er dann als Dreher Bohrgestänge herstellen und wurde aktiv in der britischen Metallarbeitergewerkschaft. Willi gründete in London eine Familie mit einer österreichischen Genossin.
Treu ihrer Sache und einander
Als der Krieg zu Ende war, schrieb er seinem Kameraden Walter Schuetrum: „Auch wir werden dem Ruf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands folgen und dort hingehen, wo unsere wahre Heimat ist.“
Er geht nach Saßnitz auf Rügen und arbeitet dort in der Fischwirtschaft. Aber die schwere Verwundung im Spanischen Krieg, ein Splitter ist noch im linken Oberarm, und weitere Krankheiten veranlassten die Ärzte ihm einen Ortswechsel vom rauen Klima an der Küste nach Thüringen zu verordnen. Er kommt nach Erfurt, wo er bis zu seinem Tod blieb.
30 Jahre nach dem Spanischen Krieg kommt es zum wiedersehen mit Walter Schuetrum in der Deutschen Demokratischen Republik. Beide sind ihrer Sache treu geblieben. Über viele Jahre entwickelte sich ein reger Briefaustausch. Walter Schuetrum schrieb u.a. zum Schluß „Unser Kampf ist nicht umsonst gewesen !“
Der Spanische Bürgerkrieg verwandelt mich in eine „Nuss, die der Faschist niemals knacken wird … Unsere Gedanken unterscheiden sich von früher, Eindrücke sind in unsere Erinnerungen eingebrannt, wir werden für unsere Sache einen bewussten antifaschistischen Kampf führen, der alles in den Schatten stellt.”
Walter Schuetrum
WALTER SCHUETRUM, HAFENARBEITER AUS SAN FRANCISCO
Hafenarbeit mit Politik im Blut
Walter J. Schuetrum wurde am 18. Oktober 1911 in Superior, Wisconsin als Sohn eines deutch-amerikanischen Bergmanns geboren. Er war Weichensteller bei der Great Northern Railroad und ein leidenschaftlicher Gewerkschafter. Schon in frühen Jahren interessierte er sich für politische Themen und für die Interessen der Arbeiter. 1937 meldete er sich freiwillig zum Dienst bei den loyalistischen Streitkräften in Spanien. In Spanien wurde er Ambulanzfahrer und war an vielen wichtigen Schlachten des Krieges beteiligt. Nach der Schlacht bei Teruel wurde er als verstorben gemeldet. Falsche Informationen wurden in Zeitungen von Wisconsin veröffentlicht und erst korrigiert, nachdem er in einen Brief an seine Familie seine Unversehrtheit mitteilen konnte.
Krankenwagenfahrer im Spanischen Bürgerkrieg
Nach dem spanischen Bürgerkrieg kehrte Schuetrum mit seinem engen Freund und Veteran Randall “Petet” Smith nach Wisconsin zurück und zog bald darauf mit seiner Frau Viola Gruenhagen Schuetrum nach San Francisco. An der Westküste erhielt er eine Anstellung als Schauermann und wurde aktives Mitglied und Organisator der Gewerkschaft International Longshoremen’s and Warehousemen’s Union.
Der spanische Bürgerkrieg stärkte Schuetrum`s politische Überzeugungen. Er schrieb: „Bevor ich nach Spanien gekommen bin, hatte ich nie begriffen was Demokratie in Wahrheit bedeuten könnte und in welchem Ausmaß man hassen kann.“ [1] Er schreibt, dass der Spanische Bürgerkrieg ihn verwandelt hat, in eine „Nuss, die der Faschist niemals knacken wird … Unsere Gedanken unterscheiden sich von früher, Eindrücke sind in unsere Erinnerungen eingebrannt, wir werden für unsere Sache einen bewussten antifaschistischen Kampf führen, der alles in den Schatten stellt.” [2]
Der Kampf geht weiter
Während des Zweiten Weltkriegs trat Schuetrum der US-Armee bei, wurde jedoch wegen seiner Beteiligung am spanischen Bürgerkrieg von den Kämpfen in Übersee ausgeschlossen. Er arbeitete stattdessen als Schiffsausbilder an Land im Militärreservat Indiantown Gap in Pennsylvania. 1946 wurde er entlassen, holte seine Seefahrtspapiere und fuhr auf Handelsschiffen im Pazifik, wo er für die Gewerkschaft National Maritime Union aktiv organisatorisch tätig war.
DDR
1961 wurde Schuetrum zusammen mit anderen Veteranen der Abraham Lincoln Brigade und des Sanitätsdienstes in die Deutsche Demokratische Republik eingeladen und verbrachte dort drei Monate. Im selben Jahr half Schuetrum zusammen mit anderen Veteranen, die auf dieser Reise waren (einschließlich der Krankenschwester Sana Goldblatt und Steve Troxell), bei der Gründung der Bay Area Post der Veteranen der Abraham Lincoln Brigade (VALB). Obwohl er nie eine Verwaltungsfunktion in der VALB innehatte, war er dennoch an vielen Aktivitäten und Beratungen direkt beteiligt. In den 70er Jahren besuchte er noch dreimal die DDR und reiste 1982 mit anderen US-amerikanischen Veteranen nach Spanien. Er starb 1986.
Zitate:
[1] Übersetzt von: Carroll, Peter N.: “The Odyssey of the Abraham Lincoln Brigade: Americans in the Spanish Civil War”, Stanford University Press, Stanford, California, 1994, p. 203
[2] Ibid
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