|SPANISHSKY.DK 11. MÄRZ 2019 |

Wolfgang  (‘Wolf’) Hoffmann – ein antifaschistischer Seemann aus Wien

(Geboren am 25. Mai 1912 in Wien, gestorben am 11. März 1942 im Lager von Gross Rosen)

Von Allan Christiansen/Übersetzung (aus dem Englischen) vom Freundeskreis der XI. Internationalen Brigade

Gegen neue Horizonte

Im Sommer 1929 fasste der siebzehnjährige Advokatensohn den Entschluss, sein wohlbestalltes Elternhaus in Wien zu verlassen und sein Glück in der Welt zu versuchen. Das war für die Eltern ein schmerzlicher Augenblick; die Mutter saß stundenlang am Fenster und schaute dahin, wo der Sohn, wenn die Not ihn dazu zwänge, zurückkommen musste.  Sie konnte nicht verstehen, warum der Junge, dem es doch zuhause an nichts fehlte, davongegangen war.

Wolfgang Hoffmann in Wien, 1932

Wolfgang Hoffmann in Wien, 1932

Wolfgang ließ sich aber nicht unterkriegen. Aus Leipzig meldete er sich, bat um Geld und teilte mit, er werde sich nach Hamburg durchschlagen und dort auf einem Schiff anheuern.  Es muss wohl pure Abenteuerlust gewesen sein, was ihn antrieb. Der Vater besorgte ihm die Verbindung zu einer in Hamburg ansässigen österreichischen Reederei, er sprach dort vor und wurde tatsächlich auf dem Motorsegler „Steiermark“ angeheuert. Das war ein winziger, ur-alter Kasten, der entlang der norwegischen Ostsee-küste bis zum  Eismeer und zurück zockelte, und Wolfgang begann dort seine Seemannskarriere als Moses, Schiffsjunge,

Es klingt unwahrscheinlich, dass das in Wien auf-gewachsene Bürgersöhnchen die Mühen der Schifffahrt durchstand: Die Sprache – denn Wolfgang sprach natürlich kein Platt – die ungewohnte Arbeit, die nächtlichen Wachen, den Spott der Arbeitskollegen, die ungewohnte Kost, die ersten Tage mit Seekrankheit. Doch Wolfgang war zähe, kräftig, zuversichtlich, er hielt durch.

Zu Weihnachten kam er zu Besuch nach Wien, da trank er Mutters Rumvorrat, der für mehrere Jahre reichen sollte, leer und schien um einen Kopf gewachsen zu sein. Offenkundig hatte er dem Leben zur See das Beste abgewonnen.

Er kehrte nach Hamburg zurück, schaffte den Leichtmatrosen, wechselte auf ein besseres Schiff und befuhr nun die Strecke Hamburg – Danzig – Drontheim. Es folgten Monate auf Fahrt entlang der norwegischen und deutschen Ostseeküste, bis hinauf in die romantischen Fjorde, über die er nachhause begeisterte Briefe schrieb.

Der Großen Depression und das politische Erwachen von Wolfgang

Im Lauf der dreißiger Jahre nach dem New Yorker Börsenkrach wuchs das Heer der Arbeitslosen in ganz Europa, die Familien wurden ärmer, man hungerte, und da die Leute ihren Verbrauch einschränken mussten, gab es immer weniger Güter zu transportieren, die Schiffe blieben im Hafen. Die Seeleute saßen missmutig in den Kneipen und warteten vergeblich auf Arbeit.

Wolfgang hatte es 1932 in Danzig erwischt, wie zehntausende andere gestrandete Seeleute stand er jeden Tag beim Arbeitsamt und wartete vergeblich. Man diskutierte über die Ursachen dieser widersinnigen Situation, wo in einer Welt im Überfluss für eine Minderheit, die arbeitenden Menschen kein Einkommen hatten und darbten.

Die Kommunisten wussten die Antwort: Schuld war der Kapitalismus! Sie gaben den Menschen Hoffnungen; eine sozialistische Revolution, um die sie 1919 betrogen worden waren, würde ihnen wieder Arbeit und Hoffnung bringen. Wolfgang begann, kommunistische Literatur zu lesen und war bald voll und ganz mit der kommunistischen Argumentation einverstanden: Das kapitalistische System musste beseitigt, Die Produktion unter die Kontrolle der Arbeiter gebracht werden.  Er trat der R.G.O. (der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition) bei und besuchte die politischen Versammlungen.

Es vergingen drei Monate, im Danziger Hafen bewegte sich noch immer kein Schiff, und in den anderen deutschen Häfen sah es auch nicht besser aus. Da war wohl jede Hoffnung auf baldige Besserung vergebens, und Wolfgang beschloss, nach Wien zurückzukehren.

In Wien schloss er sich der Kommunistischen Partei en, die freilich in Österreich gegen eine pseudolinke Sozialdemokratie wenig Chancen hatte, und deren Einfluss auf die Arbeiterklasse gering war. Wolfgang war damals noch keine zwanzig Jahre alt, doch er hatte drei Jahre harter Arbeit zur See hinter sich und wusste über das Leben der arbeitenden Menschen Bescheid. Die Kommunisten wiesen auf die Unzulänglichkeit der von den Sozialdemokraten vertetenen Reformen hin und riefen zu Protesten und Streiks gegen die reaktionäre Regierung auf.

Wirkung, Gegenwirkung, Gefängnisse und Konzentrationslager

Zu Weihnachten 1933 veranstalteten die Kommunisten eine Hungerdemonstration auf einem Markt in einem Wiener Arbeiterviertel auf, und Wolfgang schlug mit einem in Weihnachtspapier eingewickelten Ziegelstein die Scheibe eines Geflügelgeschäfts ein und warf etliche Gänse unter die Menge. Er wurde verhaftet und zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt (was mag sich der Richter wohl gedacht haben, der den Advokatensohn wegen Diebstahls verurteilte?).

Inzwischen hatte sich die politische Situation im Lande verschärft; die Regierung Dollfuss brachte Polizei und Militär gegen die Arbeiterorganisationen auf, die faschistische Heimwehr wurde gegen den sozialdemokratischen Schutzbund mobilisiert, und am 12. Februar 1934 kam es zum blutigen Kampf, dem an die hundert Arbeiter zum Opfer fielen und ein Dutzend antifaschistische Kämpfer am Galgen endeten.

Wolfgang war zu dieser Zeit noch im Gefängnis; nach Verbüßung der Haft wurde er in das inzwischen von der faschistischen Regierung errichtete Konzentrations-lager Wöllersdorf eingeliefert. Nach der Entlassung im Sommer 1934, versuchte er vergeblich, Arbeit zu finden.

Spanien
Wolfgang Hoffmann in Spanien, 1937

Wolfgang Hoffmann in Spanien, 1937

Im Juli 1936 brach der Aufstand der Generäle in Spanien aus, aus der ganzen Welt eilten junge Menschen der spanischen Republik zu Hilfe. Im November 1936 war Wolfgang unter den ersten der 1400 österreichischen Interbrigadisten und wir finden ihn an der Seite von Hans Beimler unter den Verteidigern von Madrid.  Im Laufe des Krieges nimmt er an den großen Schlachten von Teruel, Jarama, Brunete und zuletzt am Ebro teil. Er wird verwundet und im Juli 1938 schließlich zusammen mit ein paar hundert Veteranen der Interbrigaden nach Frankreich und von dort nach Belgien evakuiert,

Im Herbst 1939 kommt seine Frau mit dem Sohn aus Österreich, das Paar findet in Brüssel eine Wohnung, es beginnt ein kurzes, herzliches, wenn auch armseliges Familienleben, das bis zum deutschen Einmarsch im Mai 1940 dauert.

Der deutsche Überfall löst in Belgien eine panische Reaktion aus, die aus Deutschland stammenden Antifaschisten werden verhaftet und nach Frankreich abgeschoben, wo sie in Lagern an der Mittelmeerküste landen.  Nach der französischen Niederlage erhält die Gestapo Zutritt zu den Lagern im Süden des besiegten Landes; Wolfgang wird der Gestapo ausgeliefert und in Wien wegen angeblichen Hochverrats vor Gericht ge-stellt. Diese Anklage ist natürlich rechtlich völlig unhaltbar, weil Wolfgang Hoffmann ja Österreicher war, als er nach Spanien ging. Das Verfahren wird auch tatsächlich eingestellt, aber von Freilassung ist keine Rede;

Anfang 1941 überstellt ihn das Gericht der Gestapo, er kommt nach Dachau und danach als Kommunist und Jude in das berüchtigte Vernichtungslager Gross Rosen. Am 11. März 1942 stirbt er dort, noch keine 30 Jahre alt, „an Herzversagen“.

Ein schlichter Gedenkstein erinnert an die fünf SpanienkämpfeEin schlichter Gedenkstein erinnert an die fünf Spanienkämpfer, die von der SS an diesem Ort des Schreckens zu Tode gequält wurden

Ein schlichter Gedenkstein erinnert an die fünf Spanienkämpfer, die von der SS an diesem Ort des Schreckens zu Tode gequält wurden


Todesanzeige für Thomas Hoffmann, Wolfgang Hoffmanns Sohn, der wie sein Vater Antifaschist und Kommunist war.