Der zweite Einsatz der XI. Internationalen Brigade
| SPANISHSKY.DK 25. März 2021 |
Vor einigen Jahren las ich die Biographie eines deutschen Spanienkämpfers und stieß auf einen Sachverhalt über den ich noch nie gehört hatte, dem „zweiten Einsatz“. Der zweite Einsatz erwies sich als wichtiger Teil der Geschichte der XI. Internationalen Brigade, geschildert im Bericht des deutschen Brigademitglieds Ludwig Renn, übermittelt an mich (zusammen mit einem historischen Foto) von Reinhardt Silbermann
Von Nancy Phillips, mit Dank an Reinhardt Silbermann/Übersetzung (aus dem Englischen) vom Freundeskreis der XI. Internationalen Brigade
Der zweite Einsatz fand Monate nach dem Abzug der Freiwilligen der Internationalen Brigaden und deren teilweisen Rückkehr in ihre jeweiligen Heimatländer und kurz vor dem Fall von Barcelona statt.
Am 23. Januar 1939 rief die spanische Regierung die internationalen Freiwilligen erneut auf, die Republik zu schützen. Diesmal, um spanische Flüchtlinge auf ihrer Flucht nach Frankreich vor Angriffen von Francos Truppen zu schützen. So standen die Mitglieder der neu organisierten XI. Internationalen Brigade vor die Frage gestellt, ob sie bereit sind, wieder in den Kampf zu gehen.
Am Abend des 23. Januar 1939 wurden alle Brigademitglieder zu einem Treffen in einem großen Café in der Grafschaft La Bisbal d’Emporda gerufen. Das Café war für über tausend Männer viel zu eng. Nur wenige konnten sitzen. Der Brigadekommandant Américo Brizuela Cuenca saß mit anderen auf einem kleinen Podium, dort, wo normalerweise Musiker spielten.
Ludwig Renn schildert diesen denkwürdigen Abend wie folgt:
„Am 23. Januar (1939) gab es eine Besprechung beim Brigade-Stab. Nun waren wir auf 1360 Deutsche, Österreicher und Skandinavier angewachsen, darunter Lahme und andere Körperbehinderte. Die Zahl der überzähligen Offiziere war auf 260 gestiegen. Die sollten zu einem Bataillon unter meiner Führung zusammengezogen werden, mit einer deutschen und einer österreichischen Kompagnie.
Gegen Abend rief man uns zu einer Versammlung in ein großes Café. Es war für über tausend Mann viel zu eng. Nur wenige konnten sitzen. Auf einem kleinen Podium, wo sonst einige Musikanten spielten, saß der Brigade-Führer mit anderen.
Er erhob sich: „Kameraden ! Wir haben euch zu einer Besprechung gerufen, bei der die Mitarbeit aller erforderlich ist und bei der wir die Meinung von euch allen hören müssen.
Wir ihr wißt, war die Grenze eine kurze Zeit offen. In dieser Zeit sind neue Waffen angekommen. Die Lage an der Front ist sehr ernst. Schon wird die Stadt Barcelona bedroht. Zu ihrem Schutz sind ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich. Ihr kennt die Gründe, weshalb Minister-Präsident Negrin im Völkerbund zugestimmt hat, daß die internationalen Freiwilligen zurückgezogen werden. Er wollte damit entweder erzwingen, daß Hitler und Mussolini ihre Interventions-Truppen zurückzögen, oder wenigstens der Öffentlichkeit der Welt zeigen, wo Recht herrscht und internationale Verträge gehalten werden. Ihr wißt weiter, daß zwar wir Freiwilligen zurückgezogen wurden, aber Hitler und Mussolini nicht daran dachten, ihre Söldner zurückzuziehen. Ihr wißt schießlich, wie die französische Regierung zwar einverstanden war, daß man uns zurückzog, weil das unsre Sache schwächte, daß sie uns aber dann nicht aus Spanien hinausließ. Diese Betrüger haben das Recht verwirkt, daß wir uns weiter um sie kümmern. Darum werden wir Internationale wieder mobilisiert. Aber nicht alle, die sich hier befinden, können zum Dienst an der Front gezwungen werden. Wir haben Alte, Kranke und Verwundete unter uns. Es soll überhaupt niemand gezwungen werden. Daher frage ich euch: Wollt ihr freiwillig wieder an die Front gehen? Sprecht euch aus!“
Als er geendet hatte, sah ich, wie jemand auf einen Stuhl stieg: „Kameraden! Was soll hier eine Diskussion? Sind wir nach Spanien gekommen, um im Hinterland herzumzulungern? Nein, wir sind gekommen, um zu kämpfen! Daher, wenn man uns zum Kampfe ruft, gehen wir!“
„Bravo!“ schrien viele Stimmen. Darauf begann ein solcher Lärm von Zurufen, daß man nur wenige verstehen konnte.
„Wir gehen alle wieder an die Front!“
„Gebt Listen, uns einzutragen!“
„Listen sind an allen Eingängen ausgelegt!“ rief der Brigade-Führer.
Mitten in dem Lärm begann eine Stimme die Internationale zu singen. Vielen standen Tränen in den Augen, und das waren Männer, die jahrelang gekämpft hatten und vorher durch schwere Arbeit, Gefängnisse und Konzentrationslager gegangen waren.
Nach dem Liede drängte man sich zu den Ausgängen und umstand dicht die kleinen Tische mit den Listen. Einer nach dem anderen trat heran und schrieb sich ein, meist mit Druckbuchstaben, damit man den Namen unbedingt lesen könnte…“
Und so begann der zweite Einsatz der XI. Internationalen Brigade.
Während der Abwehrkämpfe gegen die Faschisten Ende Januar 1939 in der Gegend von Granollers-La Garriga, nördlich von Barcelona, zogen sich die Bataillone der Interbrigade zusammen mit der Spanischen Volksarmee bis zur französischen Grenze zurück. In den letzten Gefechten schützten die Freiwilligen den Strom von einer halben Million spanischer Flüchtlinge, die versuchten, nach Frankreich zu entkommen. Am 12. Februar 1939 verließ das 1. Bataillon Edgar-André der XI. Internationalen Brigade unter dem Kommandeur Ernst Buschmann als letzte Einheit der Internationalen Brigaden spanischen Boden und überschritten bei Perthus die Grenze nach Frankreich.
Ernst Buschmann in Hamburg, Dezember 1986
Zitat:
[1] Ludwig Renn, Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Band 6: Im Spanischen Krieg, Morelia-Eine Universitätsstadt in Mexiko, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977, ‘Wiedereinsatz der Internationalen’, p. 396
Quelle:
Ludwig Renn, Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Band 6: Im Spanischen Krieg, Morelia-Eine Universitätsstadt in Mexiko, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977
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